Die Kirche St. Jürgen, Barth, Sundische Str., wurde als Hospitalkirche vor den Toren der alten Stadtbefestigung erbaut.
Die Armen- und Krankenbetreuung wurde im Mittelalter als eine Aufgabe der Kirche, nicht der städtischen Gemeinschaft verstanden. Außerhalb der Stadtmauern befanden sich vielfach Hospitäler, die Menschen aufnahmen, die die Städte aus medizinischen oder anderen Gründen nicht betreten oder verlassen durften. Sie fanden hier teils eine Herberge, teils eine isolierende Verwahrung, um die Ausbreitung von Krankheiten zu verhindern oder einzudämmen. Eine besondere Bedeutung bekamen die Leprastationen, in denen die Erkrankten einer strengen Isolierung ausgesetzt waren.
Für Barth werden mehrere Kapellen genannt, die sich der Armen- und Krankenbetreuung verschrieben, ohne dass in jedem Fall Details bekannt sind. Erstemals 1482 wurde die St. Crucis-Kapelle genannt, die sich an der heutigen Straße Trebin befand und in den Dokumenten oft mit der St. Georgs-Kapelle verwechselt wurde.
Außerhalb des alten Stadtkerns vor dem Langen Tor entstand die St. Jürgen-Kapelle (niededeutsch für St. Georg), verbunden mit einem seit 1317 genannten Hospital, das in jenem Jahr von Witzlaw III. von Rügen Landbesitz übereignet bekam, weiterer 1325 von Johann von Divitz. Spätestens um 1493 war hier ein Haus für Leprakranke, das „domus leprosum“, dessen Friedhof archäologisch nachweisbar ist.
Im Jahre 1533 hielt der Barther Reformator Johannes Block auf dem Friedhof von St. Jürgen seine erste Predigt.
Die Kirche wurde um 1390 erbaut. Vom einschiffigen Backsteinbau mit kleinem Turm (Dachreiter), der aus alten Stadtansichten bekannt ist, blieb nur der gegenüber dem Kirchenschiff erhöhte Chor in seiner originalen Bausubstanz erhalten. Er hat eine Länge von zwei Jochen und einen polygonalen Ostschluss (5/10 Chorschluss). Die zweibahnigen, spitzbogigen Fenster mit überstehender, runder Öffnung (Scheiteloculus) und die schlanken Strebepfeiler zeigen den hochgotischen Stil dieses Gebäudes. Für das Innere wurde der Einzug eines Gewölbes vorbereitet, jedoch nicht ausgeführt und nur eine Flachdecke eingezogen.
Das Kirchenschiff wurde vermutlich nach dem 30jährigen Krieg unter Einziehung einer Zwischendecke und der Vermauerung der Fenster zum Einbau von Wohnungen zweigeschossig ausgebaut, verputzt und damit stark verändert. So erweckt dieser Bauteil heute irrtümlich den Eindruck eines jüngeren Anbaus. Seit dem 19. Jahrhundert barg das alte Kirchenschiff Altenwohnungen, während der Chorraum bis 1986 für Gottesdienste, vor allem als Winterkirche genutzt wurde. Die Wohnungen und die Kapelle wurden um 1988 wegen Baufälligkeit aufgegeben.
In den Jahren 1998 bis 2001 wurde der Baukomplex umfassend restauriert, wobei mittelalterliche Wandmalereien, der Christophorus und der Hl. Antonius freigelegt werden konnten. Seit dem 31. Oktober 2001 befindet sich hier das um die niederdeutsche Barther Bibel gestaltete Niederdeutsche Bibelzentrum.