Die Geschichte des Kenzer Gesundbrunnens ist mit der Legende um die Maria Pomerana Miraculosa verbunden, die sich Ende des 14. Jh. als hölzerne Statue in der Nähe von Kenz befunden haben soll. Demnach habe die Statue einer Gruppe Kranker mit ihrem Szepter den Weg zur wundertätigen Quelle gewiesen.
Daraufhin setzte eine Pilgerbewegung zum Gnadenbild ein, für das um 1400 die noch heute bestehende Wallfahrts-Kirche von Kenz gebaut wurde. Die Wallfahrt nach Kenz wurde von der Kirche mit der Gewähr des Ablasses verbunden, wodurch Kenz der größte Wallfahrtsort in Vorpommern, vor allem in der Zeit um 1400 bis um 1510 wurde (vgl. auch Kirche von Bodstedt).
Bild: Das rekonstruierte Kenzer Brunnenhaus (rechts) mit Brunnenpumpe und Auffangbecken, im Hintergrund die Kenzer Kirche
Neben der Verheißung des verkürzten Aufenthaltes der Seele im Fegefeuer hofften viele Menschen auf die Heilung von Krankheiten durch das Wasser des Wunderbrunnens. Dazu trugen viele Legenden darüber bei, welch schwere Krankheiten durch die Maria von Pommern, das Wasser des Brunnens oder durch beides zusammen geheilt wurden.
Die zu jener Zeit grassierende Pest, gegen die keine Medikamente zu helfen schienen, verstärkte die Bereitschaft zur Wallfahrt nach Kenz. Unter den vielen Menschen, die sich aus Furcht vor einer Ansteckung oder zum letzten Versuch der Heilung, des Überlebens, auf den Weg nach Kenz begaben, war auch Herzog Barnim VI. von Pommern-Wolgast. Der erreichte Kenz jedoch nicht, sondern starb auf seinem Hof in Pütnitz b. Damgarten.
Die erste Blüte des Kenzer Brunnens endete im Zusammenhang mit der Reformation und der Ablehnung von Heiligenverehrung und Ablaß. Eine zweite Glanzzeit setzte nach 1690 ein, initiiert durch den Stralsunder Pastor Matthias Kienast. Kienast, an Heilquellen überhaupt interessiert, besuchte Kenz, wo er einen „garstigen Pfuhl“ vorfand, ließ das Wasser untersuchen und bekam daraufhin die Bestätigung der Eignung des Brunnenwassers für Heilzwecke. Diese solle nun jedoch nicht mehr auf göttlichen Wundern beruhen, sondern auf der Zusammensetzung des Wassers, seiner klugen Anwendung – aber natürlich all dies nur mit Gottes Hilfe.
Der Brunnen wurde zum Gebrauch als Heilquelle gesäubert und mit einem kleinen Brunnenhaus im Grundriß ca. 1,9 x 1,9 m überbaut. Weiterhin wurde 1691 ein Logierhaus mit 30 Appartements begonnen, aber nie fertiggestellt. Nach dem Brunnenbuch mit Einnahmen und Ausgaben – das der jeweilige Pastor führte – kamen 1707/08 20 eingetragene Gäste. Nun deckten die Einnahmen die Ausgaben und es war möglich, in weitere Baumaßnahmen zu investieren. Nach 1721 begann eine Blütezeit mit jährlich 20 bis 50, im Jahre 1753 sogar 60 Gästen. Dabei ging die Hauptsaison von Juni bis August. Die Eintragungen belegen, daß die Gäste vor allem aus Schwedisch-Vorpommern kamen, vielfach aus dem Gebiet um Stralsund und Franzburg sowie natürlich aus Barth.
Es existierte eine genaue Badeordnung mit der Festlegung der täglichen Betstunden in der Kirche und des Verbots des Tanzens im Brunnenhaus, weil dadurch Staub erregt werden könne, der das klare Wasser verschmutzt. Im Jahre 1806 wurde eine Preisliste erarbeitet, die nicht nur sowohl die inneren (Wassertrinken) als äußeren (Waschungen, Bäder) Brunnenanwendungen erfaßte, sondern auch Kutschfahren nach Barth und Stralsund.
Nach 1807 begann ein rascher Niedergang. Es kamen kaum noch Gäste, nach und nach wurden die zum Brunnen gehörenden Gebäude zweckentfremdet verwendet oder verfielen. In den napoleonischen Kriegen wurde auch das Gebiet um Kentz in Mitleidenschaft gezogen. Davon erholte sich der Brunnen nicht mehr, sondern geriet weitgehend in Vergessenheit.
In den Jahren 2003/04 wurde nach historischen Vorlagen das Brunnenhaus mit freistehender Schwengelpumpe neu aufgebaut und in ein stimmungsvolles Ensemble mit der eindrucksvollen Kirche und historischen Häusern des Dorfes gesetzt. Gegen einen (freiwilligen) geringen Obolus kann man sich seine mitgebrachte Flasche mit dem wundertätigen Wasser füllen, was vor allem von Radfahrern und Einheimischen gern genutzt wird.
Lit.: Gerber, Joachim; Pohl, Horst: Pfarrort und Bauerndorf 1695–1945. Kenz 2006
Gerdes, Johann: Kentza Crene, Das ist: Beschreibung, des von 300. Jahren her bekanten, zur Reformations=Zeit deseriren, nun aber wiederum angenommenen Gesund=Brunnen zu Kentz. Alten Stettin [1699]
Kienast, Matthias: Der Vor=Pommersche Heyl=Brunn/ Das ist Glaubwürdiger Bericht Von dem Sehr Alten und sehr Herrlichen Gesund=Brunn, Zu Kentz bey Bard. Stralsund 1690